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Puzzle King: Anna (Review)

Artist:

Puzzle King

Puzzle King: Anna
Album:

Anna

Medium: CD
Stil:

Progressive Rock

Label: Eigenvertrieb
Spieldauer: 77:46
Erschienen: 27.04.2012
Website: [Link]

Französische Rock- und Metal-Musiker zeichnen sich nicht selten durch Schrullen aus und erweisen sich als Überzeugungstäter. Dies gilt auch für den alleinigen Urheber dieses Konzeptalbums, François Puzenat aus Roanne. Seine über mehrere Jahre hinweg entwickelte Story in drei Akten beinhaltet die ewig funktionierenden Komponenten: Liebe auf dem Prüfstand vor großer Kulisse, in diesem Fall der russischen Februarrevolution zu beginn des 20. Jahrhunderts. Der Musiker ließ sich dabei von seinem Großvater inspirieren, der den Aufständen 1917, die den Zarismus beendeten, manches abgewinnen konnte – eine Einstellung, die aus heutiger Sicht interessant erscheint und Fragen aufwirft. „Anna“ ist aber keinen Deut politisch ausgefallen, sondern blickt ins Innere des Hauptcharakters Anatoli Michailowitsch Lebowski, der zwischen Militär beziehungsweise Staat und seiner Holden Anna Wiktorowna Borodin steht.

Die Stimmung der Musik folgt strikt den Texten. Puzenat spielt selten heischend virtuos (etwa im Haken schlagenden „L'Assaut“) auf, sondern expressionistisch. Der Komponist darauf bedacht, Bilder im Kopf des Hörers entstehen zu lassen. So verhindert er, verstiegenen Strukturen zu erliegen, und trifft trotz der beträchtlichen Länge des Albums in der Regel den Punkt. Grob einordnen könnte man PUZZLE KING zwischen experimentellen GENESIS (die mitunter schrägen Soloalben der Herren), der Endachtziger-Phase von Marillion und Fish oder Paul Carrack, was den Gesang betrifft.

Flöten-Synths sind allgegenwärtig, Pferdegetrappel sowie andere Natur- oder Schlachtgeräusche (abgefahren: Granateinschläge gegenüber Klavier im cineastischen „Une Belle Matinée“) tun der Spannung gut, wobei die Dynamik von dringlichen Liebesbekundungen (eingängiger Einstieg: „Anatoli“) über das tragisch düstere „Le Soviet“ (speziell gegen Ende hübsch agile Rhythmusgruppe und aufbegehrendem Gesang) hin zu poppig Beschwingtem mit Chanson-Anwandlungen reicht („Anna, Moi et la Guerre“, der pastorale Walzer „Vivre Ensemble“).

Dramatisch fallen „Les Pavés Ruisselants“ und „Aveugle et Sourd“ aus, zugleich mit den härtesten Ausschlägen. „Une Belle Matinée“ stellt verglichen damit die vorübergehende Ruhe nach dem ersten und vor dem nächsten Sturm dar (das Finale des Plots ist ambivalent und schürt die Fantasie), derweil sich der Sänger geradezu vor Gefühl verzehrt, was gar nicht erzwungen anmutet. Treibenden wie sphärischen Passagen halten den Hörer bei der Stange, doch das eher gleichförmige „Petrograd“ wühlt nicht minder auf: gesprochener Text, Cello und Akustikgitarren vor Ambient-Rauschen und -Pochen.

„Au Bord de la Rivière“ beginnt psychedelisch, wird aber bei Einsatz des Gesangs intimer mit ungemein verspielten Gitarren und Tastentupfern. Gemeinsam mit „Sergueï“ steht es exemplarisch für PUZZLE KINGs Stil und die Güte von Puzenats Handwerk: Der Musiker spielt nicht nur gefühlvoll (sein singender Gitarrenton ist recht eigen), sondern hat mit Soundtüftler Guillaume Ninon (NEMO) einen warmen Klang ersonnen und ein sehr natürlich wirkendes Schlagzeug programmiert. Insgesamt tönt „Anna“ zu keiner Sekunde so bieder, wie Puzenat, der mit dem Englischen hadert, im Netz auftritt (die generierte Übersetzung seiner Website lädt ungewollt zum Schmunzeln ein). Andere spielen diese Musik, die andere in diesem Korsett etabliert haben, auf großen Bühnen, indem sie Altes eins zu eins kopieren und als Tribut bezeichnen; PUZZLE KING ist ein aufrichtiger ebensolcher, denn der Macher verwebt klassischen Neoprog (ein Widerspruch, sicher) mit seiner eigenen Gedankenwelt – und das heißt angesichts allerorts im Gleichschritt marschierender „Künstler“ eine Menge.

FAZIT: „Anna“ schillert musikalisch wie textlich nur im Detail. Der PUZZLE KING versteht sich nicht auf großen Gesten und liefert ein typisches, aber nicht abgegriffen wirkendes Album zum schlichten Zuhören an, was die deutlich vorgetragenen Texte geradezu forcieren. Für nebenbei ist dies nichts, aber damit steht der Urheber in der besten Prog-Tradition seines Landes.

Andreas Schiffmann (Info) (Review 2817x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 10 von 15 Punkten [?]
10 Punkte
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Tracklist:
  • Anatoli
  • Au Bord de la Rivière
  • Le Soviet
  • Anna, Moi et la Guerre
  • Vivre Ensemble
  • Aveugle et Sourd
  • Sur le Front
  • Une Belle Matinée
  • Sergueï
  • Petrograd
  • L'Assaut
  • Les Pavés Ruisselants
  • Le Grand Soir

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

  • Anna (2012) - 10/15 Punkten
Interviews:
  • keine Interviews
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